Vorsicht: Philosophie und ein richtig langer Text.
Ich hab‘ wieder mal ein paar schwierige Bücher gelesen, die alle irgendwie um ein Thema kreisen. Da war von Jason Hickel das Buch „Weniger ist mehr“ dabei und von Arun Gandhi „Wut ist ein Geschenk – das Vermächtnis meines Großvaters Mahatma Gandhi“. Und aus anderen Quellen die Vorstellung, dass wir alle mit allen Anderen zusammen hängen. Das es mir nur gut gehen kann, wenn es allen Anderen auch gut geht. Dass wir es zusammen schaffen – oder eben gar nicht. Gedanken darüber, nicht aufzugeben, den eigenen Beitrag nicht gering zu schätzen.
Und so komme ich wieder zurück zu der Möhre.
Also, die Möhre, die liegt da im Regal, zusammen mit anderen Möhren. Das ist die Ware.
Die Ware hat für mich einen Wert. Will ich sie kaufen und kochen und essen, dann ist ihr Wert für mich höher, als wenn ich keine Möhren mag. Rosenkohl zum Beispiel mag ich nicht. Ganz egal wie billig er ist, ich werde ihn nicht kaufen. Möhren jedoch, die essen wir ganz gerne. Also hat sie einen Wert für mich.
Wenn jetzt auch noch der Preis passt, dann kaufe ich die Möhre(n). Und damit ist ja eigentlich die Geschichte am Ende. Geld gegen Ware. Mein Geld an den Handel, die Möhre in meine Küche.
Hmm.
Die Kosten sind aber wahrscheinlich viel höher als der Preis. Das ist die Sache mit dem fairen Preis – und darüber hinaus.
Wenn ich jetzt direkt in meinem Hofladen kaufe, dann bekommt nicht nur die Händlerin (hallo Frau S.) sondern auch der Produzent (hallo Herr S.) Geld von mir. Ich geh mal davon aus und wünsche mir, dass die beiden sich für einen Preis entschieden haben, von dem sie gut leben können. Das ist der faire Preis.
Die P. die mich bedient und meine Einkäufe in die Kasse tippt und die tatsächlich mein Geld in Empfang nimmt, die bekommt Lohn. Ob das ein fairer Lohn ist, das weiß ich nicht. Kann sein ja, kann sein bei ihrem Lohn spielt mit hinein, dass ein Preis gefunden werden muss, dass die Möhren auch verkauft werden. Ich mag die P. und ihre Kolleginnen und hoffe, dass sie einen fairen Lohn bekommen. Wie auch die Mitarbeiter in der Landwirtschaft, die kenn ich zwar nicht. Aber auch ihnen wünsche ich einen fairen Lohn.
Und da sind wir bei den Kosten. An die ich selten denke. Kann sein die P. trägt jetzt ein Teil der Kosten. Niedriger Lohn für sie und dadurch ein niedriger Preis für mich.
Was ist mit dem Acker und den Tieren, die darauf leb(t)en. Auch im Biolandbau werden Lebensräume zerstört oder zumindest beeinträchtigt. Die Maschinen verdichten den Boden, ungeliebte Kräuter werden entfernt. Gegossen wird in erster Linie die kommende Ernte und der Boden daneben ist vielleicht zu trocken für all die Regenwürmer & Co. Herr S. hat den Acker gekauft oder gepachtet (die Ware) und dafür einen Preis bezahlt. An den Eigentümer, die Gemeinde, den Verpächter. Die Kosten tragen die Regenwürmer, die Asseln, die Feldhamster, der Mohn und der Löwenzahn, die Feldlerche und die Schmetterlinge. Ist halt so, so ist unser System eingerichtet. Aber es ist so. Darüber denke ich viel zu selten nach. Oh super, Möhren für nur x €/kg. Schön.
Und klar, das kann ich jetzt bis ins kleinste Detail (Ressourcen, Erdölproduktion, Energiekosten, …) aufdröseln, das erspare ich dir. Wir denken lieber nicht drüber nach.
Gäbe es jetzt andere Möglichkeiten, gerechtere Möglichkeiten die Möhren zu erzeugen? Ja bestimmt. Es wäre möglich, mehr oder gar alle Kosten in den Preis mit aufzunehmen und dafür zu sorgen, dass das Geld, dass ich der P. auf die Theke lege an alle Beteiligten fair zu verteilen. Auch an die Regenwürmer.
Wird halt teurer. Hmm.
Bin ich naiv? Ein wenig. Ich glaube zumindest daran, dass es ein wenig besser geht.
Zum Beispiel wenn wir mehr zurück geben, an Beteiligte. Durch Spenden für den globalen Süden. Durch weniger Verschwendung. Durch Kompostierung und Biotonne, die dem Boden und damit den Regenwürmern was zurück gibt. Durch Wassersparen, so dass großzügiger bewässert werden kann. (Regentonne?) Durch großzügige Trinkgelder. Durch Freundlichkeit im Laden, durch Lächeln und Geduld und vor allem durch viel Lob.
Ich geb’s zu. Ich philosophiere ganz gerne. Und ich hätte gerne, dass alle glücklich sind. Auch die Regenwürmer. Ich bin halt so.
Bonustrack 1: Die Aktion Baum hilft beim Aufforsten, vielleicht auch bei dir in der Region?
Bonustrack 2: Ein Projekt der Deutschen Umwelthilfe mit dem Ziel Schulhöfe zu begrünen.
Spruch der Woche: If you really think the environment is less important than the economy, then hold your breath while counting your money.
Guy McPherson